Sind Sie manchmal unerklärlich müde und abgespannt? Haben Sie öfter Gelenk- oder Gliederschmerzen? Ist Ihnen gelegentlich übel? Tritt bei Ihnen öfter Haarausfall auf? Leiden Sie immer wieder an Kopfschmerzen? Schlafen Sie viel und sind trotzdem nicht fit? Sind bei Ihnen manchmal Mund und Augen auffällig trocken? Haben Sie Bindehautentzündungen? Treten bei Ihnen immer wieder erhöhte Temperatur oder unerklärliches hohes Fieber auf? Beobachten Sie gelegentlich bei sich einen schmetterlingsförmigen Ausschlag im Gesicht oder rote Flecken an anderen Körperstellen? Sind Sie lichtempfindlich und vertragen keine Sonne? Waren Sie schon bei vielen Ärzten und keiner konnte eine Erklärung für Ihre Beschwerden finden? Auch wenn Sie nur drei oder vier dieser Fragen mit "Ja" beantwortet haben, könnte bei Ihnen vielleicht eine Erkrankung vorliegen, die "Lupus erythematodes" genannt wird. Es können auch weitere Beschwerden auftreten, beispielsweise Herz-, Lungen- oder Nierenerkrankungen, Durchfall, Konzentrationsstörungen, Krampfanfälle und psychische Störungen. Was ist Lupus? Lupus erythematodes (LE) ist eine Autoimmunkrankheit, die zum entzündlichen Rheuma und dort zu den "Kollagenosen" gehört. Es gibt zwei Hauptformen: Hautlupus und systemischer Lupus erythematodes (SLE). Lupus gehört NICHT zum Weichteilrheuma, denn es können auch die Gelenke und inneren Organe befallen werden. Hautlupus Bei einem Teil der Betroffenen ist nur die Haut beteiligt. Vom Hautlupus gibt es verschiedene Unterformen. Die häufigste Form ist der discoide LE, bei dem charakteristische scheibenförmige rötlich-schuppige Hautveränderungen auftreten. Bei etwa fünf bis zehn Prozent der Betroffenen kann ein Hautlupus in einen systemischen LE übergehen. Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Das ist die häufigste Form des LE. Neben der Haut und den Gelenken können weitere Organsysteme (innere Organe) betroffen sein. Die typische Hautrötung im Gesicht (Schmetterlingserythem) tritt nur bei weniger als der Hälfte der SLE-Betroffenen auf. Einen Überblick über mögliche Symptome bei systemischem Lupus erythematodes gibt folgende Tabelle:
(nach: Hettenkofer, Hans-Jürgen [Hg.]: Rheumatologie. Stuttgart: Thieme Verlag, 1998, S. 91) Faktoren, die Lupus erythematodes auslösen können Achzig Prozent der SLE-Betroffenen sind junge Frauen im Alter zwischen 15 und 45 Jahren. Lupus erythematodes hat nämlich etwas mit den weiblichen Geschlechtshormonen (Östrogenen) zu tun. Oftmals bricht Lupus während oder nach einer Schwangerschaft aus. Die Einnahme der "Pille" (östrogenhaltige Empfängnisverhütungsmittel) kann die Erkrankung fördern. Auch wenn Sie bei sich auffällige zyklusabhängige Schwankungen Ihrer Beschwerden beobachten, könnte dies ein Zeichen dieser Erkrankung sein. Typisch ist bei Lupus erythematodes auch die Sonnenempfindlichkeit. Sonnenlicht kann die Krankheit aktivieren. Deshalb bricht sie manchmal nach Sonnenbädern oder einem Urlaub im Süden aus. Wie bei anderen Autoimmunkrankheiten, wirkt sich körperlicher und seelischer Stress ungünstig auf den Krankheitsverlauf aus. Unverträgliche Nahrungsmittel und Medikamente können die Krankheitsaktivität verstärken. Die eigentliche Ursache der Erkrankung ist heute noch unbekannt. Man vermutet wie bei anderen Autoimmunerkrankungen eine genetische Veranlagung, die im Zusammenwirken mit äußeren Faktoren (Auslösern) zu der Erkrankung führt. Eine Reihe von Medikamenten können ein SLE-ähnliches Krankheitsbild auslösen (medikamenteninduzierter Lupus erythematodes). In der Regel verschwinden die Beschwerden nach Absetzen dieser Medikamente. Diagnose Oft dauert es sehr lange, bis Lupus erythematodes erkannt wird. Das liegt daran, das die Beschwerden bei jedem Menschen ganz unterschiedlich sind. Bei jedem Betroffenen prägt sich die Krankheit anders aus. Gemäß den 2012 von der Amerikanischen Rheumatologen-Vereinigung veröffentlichten Kriterien müssen vier von siebzehn charakteristischen Befunden vorliegen, damit die Diagnose systemischer Lupus erythematodes wahrscheinlich wird (sogenannte SLICC-Kriterien). Eine nachgewiesene Organbeteiligung ist für die Diagnose SLE nicht erforderlich. Eine Frühdiagnose des SLE ist mit den SLICC-Kriterien nicht möglich. Chronisch-schleichende Verlaufsformen (siehe unten) sind schwieriger zu diagnostizieren als akut-schubweise Verläufe. Außerdem ist diese Erkrankung vielen Ärzten unbekannt, weil sie relativ selten ist. Nur etwa 30 - 40.000 Menschen leiden in Deutschland an SLE. Ärzte können sie deswegen häufig nicht erkennen. Viele betroffene junge Frauen werden deshalb für Simulanten gehalten. Der Facharzt für die Diagnose und Behandlung dieser Krankheit ist ein Internist, der gleichzeitig Rheumatologe ist. Erkennen kann man die Krankheit an bestimmten Blutwerten. Dazu müssen antinukleäre Faktoren (ANA) und weitere Autoantikörper wie zum Beispiel die ds-DNS-Antikörper bestimmt werden. Oftmals lautet die Diagnose zunächst "Kollagenose", wenn anhand der Beschwerden und (Blut-)Befunde zunächst keine genauere Diagnose gestellt werden kann. Die Behandlung ist die gleiche. Es gibt auch die verschiedensten Mischformen zwischen LE und anderen Kollagenosen wie dem Sjögren-Syndrom, der Sklerodermie und dem Antiphospholipidsyndrom. Verlauf Bei etwa zwei Dritteln der Betroffenen verläuft die Krankheit schubweise. Etwa die Hälfte dieser Betroffenen hat zwischen den Schüben nur wenig oder gar keine Beschwerden (Remission). Bei der anderen Hälfte dieser Betroffenen ist die Erkrankung auch zwischen den Schüben weiter aktiv (Teilremission). Etwa ein Drittel der Erkrankten hat einen chronisch-progredienten Verlauf, das heißt, dass keine Schübe auftreten und die Krankheit langsam voranschreitet. Gegenwärtig sind in der Medizin noch keine Laborwerte bekannt, an denen die Krankheitsaktivität des LE zuverlässig abgeschätzt werden kann. Weder die Blutsenkung noch die Höhe der antinukleäre Antikörper (ANA) spiegeln die Krankheitsaktivität eindeutig wider. Das C-reaktive Protein (CRP) ist bei LE selbst in Zeiten erhöhter Krankheitsaktivität nur niedrig erhöht. Am ehesten scheint eine Erhöhung der ds-DNS-Antikörper und eine Erniedrigung des Komplements eine Verstärkung der Krankheitsaktivität anzuzeigen. Um die Aktivität der Erkrankung beurteilen zu können, ist eine Zusammenschau der Beschwerden und der klinischen Befunde sowie der (labor-)technischen Untersuchungsergebnisse notwendig, wobei die klinischen Befunde führend sind. Weil noch keine zuverlässigen Indikatoren für die Krankheitsaktivität bei Lupus erythematodes bekannt sind und Organbeteiligungen im Anfangsstadium oft nicht sicher diagnostiziert werden können, wird die Schwere des Krankheitsbilds von Ärzten häufig unterschätzt. Behandlung Für die Behandlung des Lupus erythematodes gilt folgendes Stufenschema: Schmerzmittel Antimalariamittel (z. B. Chloroquin [Quensyl®]) Immunsuppressiva (z. B. Azathioprin, Ciclosporin A, Mycophenolatmofetil) oder Biologika, wie die monoklonalen Antikörper Anifrolumab und Belimumab Zytostatika (z. B. Methotrexat, Cyclophosphamid [Endoxan®]) Paralell dazu wird auf allen Stufen Kortison gegeben (z. B. Lodotra®). Die Aufzählung erfolgt von leichteren zu schwereren Medikamenten. Zweck dieser Medikamente ist, die Entzündung und die überschießende Aktivität des Immunsystems einzudämmen. Die Medikamente greifen an verschiedenen Stellen im Krankheitsprozess ein, eine kausale Therapie, die die Ursache der Krankheit beseitigt, gibt es jedoch noch nicht. Der Einsatz der Medikamente richtet sich in erster Linie nach der Schwere des Krankheitsbilds. Antimalariamittel wirken bei Lupus erythematodes besonders gut gegen Hauterscheinungen und Gelenkprobleme. Immunsuppressiva und Zytostatika kommen bei schwereren Krankheitsverläufen zur Anwendung. Betroffene mit schubweisem Krankheitsverlauf sprechen auf die Behandlung mit den heute verfügbaren Medikamenten in der Regel besser an als Betroffene mit chronisch-schleichendem Verlauf. Lange Zeit konzentrierte sich die medizinische Forschung an den Universitätskliniken auf die Entwicklung neuer Behandlungsverfahren für die schwersten schubweisen Formen des SLE, von denen etwa fünf Prozent aller LE-Erkrankten betroffen sind (Hochdosis-Endoxantherapie, autologe Stammzelltransplantation). Für den "Durchschnittslupus" des Großteil der Lupus-Betroffenen mit Abgeschlagenheit, Haut- und Gelenkbeschwerden wurden in den vergangenen Jahrzehnten keine neuen Medikamente entwickelt. Das lag daran, dass sich die Entwicklung neuer Behandlungsverfahren wegen der geringen Anzahl der Patienten für die pharmazeutische Industrie nicht lohnte. Mit der Marktzulassung von Anifrolumab im März 2022 hat sich diese Situation geändert, zu hoffen ist, dass es in der Anwendung auch eine gute Wirkung zeigt! Je früher die Behandlung beginnt, desto besser kann der Verlauf der Erkrankung beeinflusst werden. Wenn die Erkrankung bald nach ihrem Ausbruch erkannt und behandelt wird, haben Lupus-Betroffene heute eine normale Lebenserwartung. Die Lebensqualität kann jedoch mehr oder weniger eingeschränkt sein. Fanouriakis A, Kostopoulou M, Andersen J, et al. EULAR recommendations for the management of systemic lupus erythematosus: 2023 update. Ann Rheum Dis 2024;83:15-29. https://ard.bmj.com Kommentar: Die 2024 aktualisierte europäische Leitlinie ist ein Meilenstein für die Diagnose und Behandlung des systemischen Lupus. Für alle Rheumatologen in Europa verbindlich, sollte sie zeitnah von allen Rheumatologen in die Praxis umgesetzt werden. |